Freigabe des Mietverhältnisses bei Insolvenz
Zur vom Insolvenzverwalter erklärten „Freigabe“ des Mietverhältnisses über die Wohnung des Insolvenzschuldners
Der Bundesgerichtshof hat sich heute in einer Entscheidung mit den Rechtswirkungen der vom Insolvenzverwalter erklärten „Freigabe“ eines Mietverhältnisses sowie mit den Folgen falscher Angaben des Mieters in einer sogenannten „Vorvermieterbescheinigung“ befasst.
Der Kläger ist seit dem 1. April 2007 Mieter einer Wohnung der Beklagten in Hamburg. Vor Abschluss des Mietvertrages erhielt der Kläger von der Verwalterin der Beklagten ein Formular einer „Vorvermieterbescheinigung“. Darin sollte der bisherige Vermieter des Klägers bestätigen, wie lange das Mietverhältnis gedauert hat und ob der Mieter die Kaution und die Miete pünktlich gezahlt hat und seinen sonstigen Verpflichtungen aus dem Mietvertrag nachgekommen ist. Der Kläger gab die Formulare vor Vertragsschluss ausgefüllt zurück. Danach hatte er seit 2003 von einem Dritten eine Wohnung zu einer Miete von 695 € gemietet und seine Pflichten aus dem Mietvertrag stets pünktlich erfüllt.
Am 5. November 2009 wurde das Insolvenzverfahren über das Vermögen des Klägers eröffnet. Der vom Gericht eingesetzte Treuhänder erklärte mit Schreiben vom 3. Dezember 2009 die „Freigabe“ des Mietverhältnisses gemäß § 109 Abs. 1 Satz 2 InsO*. Mit Schreiben vom 16. September 2010 erklärten die Beklagten gegenüber dem Kläger die fristlose Kündigung* des Mietvertrags, weil die Vorvermieterbescheinigung gefälscht gewesen sei. Weder habe der Kläger an der angegebenen Adresse gewohnt noch mit dem genannten Vermieter in dem genannten Zeitraum überhaupt einen Mietvertrag abgeschlossen.
Gegenstand des Revisionsverfahrens ist allein der von den Beklagten mit der Widerklage (unter anderem) geltend gemachte Räumungsanspruch. Das Amtsgericht hat die Widerklage insoweit abgewiesen. Das Landgericht hat auf die Berufung der Beklagten das amtsgerichtliche Urteil abgeändert und der Räumungsklage stattgegeben.
Die vom Bundesgerichtshof zugelassene Revision, mit der der Kläger die Wiederherstellung des amtsgerichtlichen Urteils erstrebt, hatte Erfolg. Der unter anderem für das Wohnraummietrecht zuständige VIII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat entschieden, dass der Vermieter nach dem Wirksamwerden der Freigabeerklärung gemäß § 109 Abs. 1 Satz 2 InsO gegenüber dem Mieter kündigen kann. Denn durch die Enthaftungserklärung des Insolvenzverwalters erhält der Mieter die Verfügungs- und Verwaltungsbefugnis über das Mietverhältnis zurück.
Zutreffend hat das Berufungsgericht ferner in der Vorlage einer gefälschten Vorvermieterbescheinigung eine erhebliche Verletzung (vor-)vertraglicher Pflichten gesehen, die die fristlose Kündigung* des Mietverhältnisses rechtfertigen kann. Das Berufungsgericht hat allerdings das Vorbringen des Klägers, die Beklagten hätten bereits im Jahr 2007 Kenntnis von der Fälschung erlangt, so dass die im September 2010 ausgesprochene fristlose Kündigung* wegen Verspätung unwirksam sei, rechtsfehlerhaft übergangen. Der Rechtsstreit war deshalb zur weiteren Sachaufklärung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen.
* § 109 InsO: Schuldner als Mieter oder Pächter
(1) Ein Miet- oder Pachtverhältnis über einen unbeweglichen Gegenstand oder über Räume, das der Schuldner als Mieter oder Pächter eingegangen war, kann der Insolvenzverwalter ohne Rücksicht auf die vereinbarte Vertragsdauer oder einen vereinbarten Ausschluss des Rechts zur ordentlichen Kündigung* kündigen (…). Ist Gegenstand des Mietverhältnisses die Wohnung des Schuldners, so tritt an die Stelle der Kündigung* das Recht des Insolvenzverwalters zu erklären, dass Ansprüche, die nach Ablauf der in Satz 1 genannten Frist fällig werden, nicht im Insolvenzverfahren geltend gemacht werden können. (…).
Urteil vom 9. April 2014 – VIII ZR 107/13
AG Hamburg-Harburg – Urteil vom 20. April 2012 – 645 C 484/09
LG Hamburg – Urteil vom 28. März 2013 – 307 S 55/12
Karlsruhe, den 9. April 2014
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Pressemitteilung des Bundesgerichtshofs vom 09.04.2014.